W.-J. Stelter, T. Morlang
Bei der laparoskopischen Chirurgie des colorektalen Karzinoms geht es um mehr als nur die Narbe am Bauch, um mehr als reinen Schmerzmittelverbrauch und um mehr als kürzere Liegezeiten, sondern es geht um Langzeitüberlebensraten und rezidivfreie Intervalle. Die Diskussion wird bei der onkologischen Indikation auf eine ganz andere Ebene gehoben. Dies ist auch Grund, warum aus unserer Klinik noch keine eigenen Ergebnisse berichtet werden. Wir haben uns hier lange abwartend verhalten. Aber in ersten Beobachtungen zeichnet sich ab, daß wahrscheinlich die kleinere Narbe am Bauch und der geringere Schmerzmittelverbrauch, also eben das geringere operative Trauma, beim laparoskopischen Vorgehen einen positiven Einfluß auch auf das Langzeitüberleben haben; weil nämlich die von der Operation ausgelösten Immunsuppression geringer ist. Die laparoskopische Chirurgie des colorektalen Karzinoms ist
1.) technisch machbar,
2.) bei stadiengerechter Anwendung auch sinnvoll,
3.) es gibt bisher allerdings nur prospektive Beobachtungsstudien und keine randomisierten Vergleiche.
Aus diesem Grunde ist
4.) das Langzeitüberleben noch nicht genau zu beurteilen.
Die Entwicklung der laparoskopischen, colorektalen Chirurgie beginnt 1990 in den USA, hier mit den führenden Vertretern Wexner, Salky, Jacobs und Phillips und in Deutschland mit Herrn Köggerling, Erlangen, Konrad und Bärlehner in Berlin und Herrn Schönleben in Ludwigshafen. Die persönlichen Serien und der einzelnen Arbeitsgruppen liegen in der Größenordnung von ca. N = 500. Nach Umfragen wird zur Zeit nur 1 % aller colorektalen Eingriffe in Deutschland laparoskopisch durchgeführt. Als Eingriffe sind möglich tangentiale Resektionen, z. B. bei einem Meckelschen-Divertikel oder breitbasigen Adenomen, die endoskopische nicht sicher zu entfernen sind. Desweiteren die Hartmann-Operation bzw. deren Rückverlagerung, der Anus praeter, die abdomino-perineale Rektumexstirpation und insbesondere auch die tubulären Darmresektionen, insbesondere am Sigma, anteriore Rektumresektion, Hemicolektomien und Ileocoecalresektionen.
Im Gegensatz zu den ablativen Eingriffen wie Cholecystektomie, Appendektomie oder Splenektomie stellt sich am Colon nach einer tubulären Resektion die technische Schwierigkeit der Rekonstruktion des Hohlorgans, d. h. die Schwierigkeit der Anastomose. Hier zeigt sich, daß insbesondere Patienten vom laparoskopischen Vorgehen profitieren, die eine Resektion im linken Hemicolon brauchen, da hier die Anastomose transanal mit zirkulären Klammernahtgeräten bewerkstelligt werden kann. Bei Resektionen im rechten Colon wird nach wie vor eine sogenannte "Bergelaparotomie" angelegt und hierüber die Anastomose am mobilisierten Darm vor den Bauch von Hand genäht.
Die Indikationen zur laparoskopischen colorektalen Chirurgie sind unbestritten bei benignen Erkrankungen: z. B.
- Divertikulitis,
- FAC (familiäre Adenomatosis coli),
- Endometriose oder breitbasige Polypen.
- sie sind ebenfalls unumstritten bei maligner Indikation unter palliativen Gesichtspunkten
(z. B. Segmentresektionen von stenotischen Abschnitten).
Die Indikation wurde bisher zurückhaltend nur gestellt unter kurativer Zielsetzung bei malignen Indikationen. Hier ist sie nach wie vor beschränkt bzw. überwiegend sinnvoll im linken Hemicolon und nur bis Tumoren des Stadiums T 3. Diese wird präoperativ durch die Endosonographie im Staging untersucht. Kontraindikationen zum laparoskopischen Vorgehen sind ein T 4-Stadium, ein fixierter Tumor, ein Karzinom an der Flexur oder im Transversum wegen der dann erforderlichen ausgedehnten Resektion aufgrund des großen Lymphabstromgebietes, desweiteren beim massiven Ileus oder florider Peritonitis.
Die onkologische Operationstechnik muß laparoskopisch genauso gewahrt werden wie im offenen Vorgehen, hierzu gehören die No-Touch-Technik, die Bergung des Resektates in einem Beutel oder Folien, um Kontaminationen der Bauchdecke zu verhindern, die radikale Lymphknotendissektion, inbesondere beim Rektum die sogenannte
- TME (Totale Mesorektale Excision),
- die stammnahe Ligatur der Arteria mesenterica inferior sowie
- die zytotoxische Spülung der Trokare vor Entfernung, um Implantationsmetastasen in der Bauchdecke zu verhindern.
Das CO 2 kam anfangs ins Gerede und wurde beschuldigt, die Implantation von Bauchdeckenmetastasen zu begünstigen. Dies ist heute eindeutig widerlegt, diese unerfreulichen Fälle aus der Anfangsphase sind eindeutig auf mechanische Tumorzellverschleppung durch unsaubere OP-Technik und mangelnde Beachtung der oben genannten Kriterien zurückzuführen. Das CO 2 hat hiermit nichts zu tun.
Die onkologische Chirurgie verfolgt folgende Ziele:
Wir wollen eine verbesserte Langzeitheilung haben und wir wollen wenige Rezidive, wenige Anastomoseninsuffizienzen, weniger Stomata, weniger vegetative Nervenläsionen (z. B. Inkontinenz oder Impotenz) und weniger allgemeine Komplikationen im Sinne von Pneumonien und Wundinfekten.
Hier wird aus der konventionellen Chirurgie ein hoher Maßstab vorgelegt, den es laparoskopisch mindestens zu erreichen gilt, dies betrifft eine Resektionsrate über alle Tumore von 94 %, davon R 0-Resektionen von 80 %, ein Sphinktererhalt von 80 - 85 %, Lokalrezidive unter 10 % und ein 5-Jahres-Überleben über alle colorektalen Karzinome, unabhängig vom Stadium in der Mitte zwischen 70 und 80 %. Im Vergleich der Ergebnisse wird die Studie LCSSG (Laparoscopic Colo-rectal Surgery Study-Group) vom 01.03.1997 angeführt (N = 826, 278 Karzinome mit R 0-Resektionen, erhobenen an 18 Operativen Zentren). Hierbei Letalität 2,1 %, damit besser als in der von Hermanek vorgelegten Studie über die konventionelle, colorektale Chirurgie mit 2,7 %. Die Insuffizienzrate beim laparoskopischen Vorgehen in dieser Studie liegt bei 5,3 %, für das Colon bei 3,6, für das Rektum bei 11,8 %, Transversus 2,8 bzw. 15 % für das offene Vorgehen. Die Rate der Reinterventionen liegt bei 2,9 %, hiermit nur halb so hoch wie beim offenen Vorgehen. Die Konversionsrate liegt bei 6 %, Ureterläsionen 0,2 %, Harnwegsinfekte 4,8 %, Pneumonien 1,6 %, insgesamt geringgradigere Komplikationen 21 %. Die OP-Dauer beim laparoskopischen Vorgehen liegt bei 170 Minuten verglichen mit 208 Minuten Durchschnitt beim offenen Vorgehen.
Auch die Lymphknotenausbeute im Durchschnitt mit 14 Knoten bei der Resektion auf laparoskopische Weise erfüllt den geforderten onkologischen Standard.
Zusammenfassend kann die laparoskopische Colonchirurgie folgendes leisten:
- Weniger Schmerz,
- weniger Infekte,
- weniger Ileus/postoperative Darmatonie,
- weniger pulmonale Komplikationen und das Entscheidende,
- was für das Langzeitüberleben wichtig sein wird, eine geringere Immunsuppression des Patienten.
Die laparoskopische Colonchirurgie ist mindestens gleichwertig der offenen Chirurgie in Puncto OP-Dauer oder Ausmaß der Resektion oder der Rate der Anastomoseninsuffizienzen.