Die Entwicklung der Gefäßchirurgie
Die Gefäßchirurgie befaßt sich vorwiegend mit Operationen an den Schlagadern, die das unter Druck vom Herzen gepumpte Blut in die Organe und das Gewebe fördern. Schon in der Antike wurden Eingriffe, nämlich eine einfache oder auch mehrfache Abbindungen an den Schlagadern vorgenommen. 1759 wurde durch Hallowell in England zum ersten Mal eine durch einen Aderlaß verletzte Armschlagader wieder genäht. 1879 stellt in Rußland der Chirurg Eck durch Naht eine Verbindung zwischen zwei Eingeweidevenen zur Umgehung des Leberkreislaufs her. Die erste erfolgreiche Wiedervereinigung einer völlig durchtrennten Schlagader wird Murphy 1897 zugeschrieben. Subanejev versuchte 1895 zuerst, eine arterielle Embolie zu beseitigen, was allerdings erst Labey in Frankreich 1911 gelang. Anfang des Jahrhunderts begannen auch schon erfolgreiche Versuche, einen Ersatz für die Schlagader zu schaffen: 1906 wurde die in Nachbarschaft verlaufende Vene zum Ersatz der Kniekehlenschlagader von Goyanes in Madrid, und 1907 eine frei transplantierte Vene von Lexer in Deutschland als Ersatz für die Schlagader der Achsel verwandt. Dieses Verfahren wurde im 1. Weltkrieg von vielen bekannten deutschen Chirurgen noch mehrmals bei Arterienverletzungen erfolgreich angewandt. Alexis Carrel, von Frankreich nach USA, ausgewandert, erhielt 1912 den Nobelpreis für die Entwicklung von Gefäßnahttechniken, die ihm schon Organtransplantationen ermöglichten. Der 1915 im Alter von 30 Jahren in Gefangenschaft an Typhus verstorbene deutsche Arzt Ernst Jeger nahm die erste erfolgreiche und dokumentierte Wiedereinpflanzung eines durch Schuss abgetrennten Armes vor. Er schrieb ein Buch, das in erstaunlicher Weise alle heute gebrauchten Naht- und Bypasstechniken schon vorwegnimmt, die von ihm experimentell erprobt wurden. Man beschäftigte sich auch damals schon mit künstlichen Schlagadern und erprobte die ausgefallensten Materialien, die aber alle noch zum Scheitern verurteilt waren.
Die Entwicklung der Gefäßchirurgie setzte stürmisch eigentlich erst nach dem 2. Weltkrieg ein und schreitet immer noch rasch voran. Mehrere Faktoren ermöglichen erst die Fortschritte.
Die Techniken der Gefäßnaht wurden schon erwähnt und waren vorhanden.
Geeignetes Material für Gefäßersatz.
1952 wurde zum 1. Mal von M.E. DeBakey bei einem Menschen eine Bifurkationsprothese aus Polyester (Dacron) eingesetzt, die er auf seiner Nähmaschine zu Hause selbst hergestellt hatte. Dacron hat sich bis heute als unübertroffener Ersatz für große Gefäße bewährt. Die Idee des Venentransplantates für die Überbrückung kleinerer Gefäße war schon zu Beginn des Jahrhunderts umgesetzt worden und wurde erst 1949 mit dem 1. femoro-poplitealen Venenbypass von Kunlin, einem Schüler Leriches in Straßbourg wiederentdeckt. Teflon, zunächst in der gewebten oder gestrickten Form ungeeignet, erfuhr eine Renaissance in Form der Prothesen aus gereckten Fibrillen (PTFE). |
Der Einsatz von Heparin zur Aufhebung der natürlichen Blutgerinnung während der Phase längerer Abklemmungen.
Der Einsatz von Antibiotika und das keimfreie Operieren.
Eine Infektion einer Gefäßrekonstruktion macht das Operationsergebnis zunichte und gefährdet den Patienten lebensgefährlich. |
Die Möglichkeit der Darstellung von Gefäßveränderungen durch die Angiographie.
1927 führte Dos Santos in Portugal die erste Aortographie durch. Sein Neffe Dos Santos beseitigte zum ersten Mal 1947 einen Schlagaderverschluß durch eine sogenannte Thrombendarterieektomie, ein heute immer noch standardmäßig durchgeführtes Verfahren. In Deutschland gehörte Prof. Dr. Heberer zusammen mit Prof. Dr. Linder und Prof. Dr. Krämer zu den Pionieren der Gefäßchirurgie nach dem Krieg. Die USA wurden nach dem Krieg führend in der Chirurgie der großen Gefäße, insbesondere im berühmten Texas-Medical-Center, wo am dortigen Baylor-College of Medicine der Pionier M.E. DeBakey wirkte. |
Die Entwicklung der endovaskulären Gefäßchirurgie.
Die Rekonstruktion Anfang der 70er-Jahre der Herzkranzgefäße galt lange Zeit als unmöglich. Hier jedoch wiederholten sich alle Entwicklungen der Gefäßchirurgie auf wenige Jahre zusammengedrängt. Die Behandlung der Herzkranzgefäßerkrankungen wurde sogar in der neueren Zeit zum Schrittmacher für die Einführung gänzlich neuer Techniken: Die endovaskuläre Gefäßchirurgie mittels Dehnungsballons, Entarteriektomiekatheter und Stents und neuerdings auch Stentprothesen. Voraussetzung war die Entwicklung der Röntgendarstellung der Herzkranzgefäße durch Sones 1962 in Cleveland nach dem Prinzip des von Forssman beschriebenen Herzkatheters. 1964 wurde an der Klinik DeBakeys zum ersten Mal durch Edward Garrett erfolgreich eine Vene zur Überbrückung eines Herzkranzgefäßverschlusses eingesetzt, was in den folgenden Jahren als Bypassoperation eine stürmische Entwicklung nahm. Ich erlebte dies 1970/71 in meiner Ausbildung in der DeBakey Klinik mit. Die derzeitige Krönung erfuhr diese Technologie durch die Entwicklung von mit Kunststoffgewebe überzogenen Stents (das sind elastische, röhrenförmige Drahtkonstruktionen zum Offenhalten von Gefäßen), die sogar die Behandlung der schwierigen Aneurysmaerkrankung auf schonenderem Wege erlauben. |
Die Prinzipien der Gefäßchirurgie sind also heute:
Die Einführung der Stentprothesen wurde im Westen 1990 durch Parodi, Buenos Aires, verbreitet. Wir selbst führten in Deutschland die erste erfolgreiche Implantation einer im Körper zur Bifurkation zusammengesetzten Prothese am 31.08.1994 durch und lösten auch hier eine stürmische Entwicklung aus. Alle Kapitel der Gefäßchirurgie müssen im Lichte der Anwendung dieser neuen Technologien neu geschrieben werden!
Die Gefäßchirurgie befindet sich erneut im Aufbruch !
W. S.