Eine "konservative Behandlung der Bauchaortenaneurysmen" gibt es nicht.
Die Behandlung hat das Ziel, den schwachen Wandabschnitt der Hauptschlagader, der sich wie ein alter Fahrradschlauch immer weiter ausbeult und schließlich platzt, durch einen festen Gefäßersatz aus Kunststoff entweder zu ersetzen oder zu verstärken. Hierzu praktizieren wir heute 2 Verfahren:
1.) Die klassische "offene", konventionelle Aneurysmaoperation (Dissectionsmethode nach DeBakey).
Hierzu wird das Bauchaortenaneurysma
nach Eröffnung der Bauchhöhle möglichst schonend an der Vorderfläche freigelegt. Nach
Injektion einer Heparinlösung, die Gerinselbildung verhindern soll, wird die Schlagader
oberhalb des Aneurysmasackes, in der Regel direkt unterhalb der Nierenarterien, und im
Bereich der Beckenarterien abgeklemmt. Das Aneurysma wird an der Vorderfläche eröffnet,
die Gerinsel werden ausgeräumt, blutende Öffnungen von Arterien, die aus dem
Aneurysmasack abgehen (Lumbalarterien, untere Darmarterie), werden von innen durch
Übernähung
verschlossen, und dann wird ein künstliches Gefäß aus einem Polyestergewebe (Dacron ®)
von Hand mittels gefäßchirurgischer Techniken möglichst schonend von innen an die
verbliebenen Öffnungen der Schlagadern an- und eingenäht, bevor der Blutstrom
freigegeben werden kann. Auch wenn die Beckenarterien erweitert sind, was sehr häufig
vorkommt, kann man in aller Regel, in ca. 80%, mit dem Einbringen einer Rohrprothese
auskommen. Mit Hilfe der chirurgischen Techniken ist es möglich, auch erweiterte
Öffnungen der Beckenarterien an die Prothese anzupassen und gewissermaßen zur raffen,
wie dies auf den Abbildungen von Operationszeichnungen erkennbar wird. Nur in wenigen
Fällen sind auch die Beckenarterien zu stark aneurysmatisch verändert, so daß sie durch
eine sogenannte Bifurkationsprothese ebenfalls mitausgeschaltet werden müssen.
Dabei wird aber immer angestrebt, mindestens die innere Beckenschlagader auf
einer Seite durchströmt zu belassen.
Die Früh- und Spätergebnisse dieses Operationsverfahrens sind heute an vielen Tausenden von Patienten gut erforscht und die Techniken sind seit Jahrzehnten erprobt. Auch die Sterblichkeit nach dieser großen Gefäßoperation liegt bei sorgfältiger Auswahl der Patienten und guter Vorbereitung in der Größenordnung von 4%. Weitere Komplikationen, wie z.B. Durchblutungsstörungen des Darmes, Durchblutungsstörungen des Rückenmarkes mit einer resultierenden Lähmung, sind große Seltenheiten. Auf eine Komplikation jedoch muß heute jeder Patient hingewiesen werden: Durch das Freilegen der unteren Bauchschlagader und der Beckenarterien, ganz gleich wie schonend es auch immer vorgenommen wird, kann es in bis zu 25-30% infolge Beschädigungenn und Beeinträchtigungen vegetativer dort verlaufender Nerven zu Störungen der Sexualfunktion bei Männern kommen.
2.) Endovasculäres Operationsverfahren:
Hiermit ist die sogenannte endoluminäre Behandlung mittels Stentprothesen gemeint, die über die Leistenschlagadern eingebracht werden können. Die Einführung der Stentprothesen durch Volodos und Parodi haben die Behandlung der Aortenaneurysmen revolutioniert! Bei den neuen Operationsverfahren wird die Kunststoffprothese nicht durch eine "klassische" Gefäßnaht, sondern durch ein Metalldrahtgeflecht an der Arterienwand fixiert, das sich von innen gegen das Kunststoffgewebe stemmt (sog. Stent). Diese Systeme sind eng gepackt in einem möglichst dünnkalibrigen Kathetersystem untergebracht, in dem sie in die geeignete Position von der Leistenarterie aus vorgeschoben werden. Ist die geeignete Stelle erreicht, werden sie zur Entfaltung gebracht, dichten von innen das Gefäß ab und erreichen auf diese Weise die notwendige Stabilisierung der aneurysmatisch degenerierten Gefäßwand. (Ein kleines Video zeigt die Entfaltung einer Y-Prothese, wie sie bei uns eingesetzt wird. Download im .mpg-Format: ca. 4MB)
Es gibt inzwischen eine Vielzahl unterschiedlicher Konstruktionen und Konstruktionsprinzipien. Wir bevorzugen heute Prothesensysteme mit sogenannten selbstexpandierenden Stents ( d.h. die Stentkonstruktionen aus Edelstahl oder dem elastischen Nitinol, einer Legierung aus Nickel und Titan, o.ä., dehnen sich infolge ihrer elastischen Federkraft von selbst aus und passen sich der Gefäßwand an), nach dem modularen Prinzip (d.h. die Prothese wird in Einzelteilen (Modulen) eingebracht und erst innerhalb der Schlagadern bzw. des Aneurysmas zu iher endgültigen Form, z.B. wie ein Teleskop, zusammengesetzt), weil dieses Prinzip auch in schwierigen anatomischen Situationen am anpassungsfähigsten und am besten plazierbar erscheint.
Die Abbildung zeigt
rechts das erste
von mir am 31.08.1994 eingesetzte System im Vergleich zu einer konventionellen Bifurkationsprothese
links. Aber nicht nur die Prothesen, auch die Einführsysteme unterscheiden
sich und haben alle ihre besonderen Vorteile und Schwächen, was bei der Auswahl ins
Gewicht fällt.
Einige wichtige Punkte im Unterschied zu dem koventionellen Verfahren sind jedoch hier hervorzuheben und unbedingt zu beachten:
Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Stentprothesen ist ein geeigneter "normaler" Arterienabschnitt oberhalb des Aneurysmas, wo die Stentprothese ausreichend und sicher verankert werden kann, der sogenannte Aneurysmahals. Das gleiche gilt für die Beckenarterien.
Das Langzeitverhalten der Stentprothese in dem Körper ist nicht genügend sicher bekannt, da sie erst seit 15 Jahren im Einsatz sind.
Darum muß jeder Patient mit einer Stentprothese regelmäßig nachkontrolliert werden, wie beim TÜV!
Der Vorteil des endoluminären Verfahrens besteht zweifellos in einer wesentlich geringeren operativen Belastung des Patienten, dem die Öffnung einer Körperhöhle, das Freilegen der Gefäße mit den spezifischen Komplikationen (z.B. auch Verletzung von vegetativen Nerven, was in 20-30% zu Störungen der Sexualfunktion führen kann) und der höheren Blutverluste erspart bleiben.
Für die Versorgung der Stentprothesen gelten für uns
dieselben allgemeinen Kriterien wie für das klassische Verfahren. Bei Ausschöpfen aller
Möglichkeiten der derzeitigen Systeme können nach unserer Erfahrung heute bis zu 80-90%
aller Bauchaortenaneurysmen mit Stentprothesen vesorgt werden. Je schwieriger
die Anatomie, besonders wenn die Hauptschlagader und die Arterien sehr stark geschlängelt
verlaufen, um so höher ist die Gefahr der primären und sekundären Undichtigkeit.
Die überwiegende Anzahl der Bauchaortenaneurysmen muß im Gegensatz zum konventionellen Vorgehen (siehe Abbildung) mit Bifurkationen versorgt weren, weil in der unteren Hauptschlagader oberhalb ihrer Aufteilung (Bifurkation) keine genügende Abdichtung erzielt werden kann.
Die Abbildung links zeigt eine ausgedehnte konventionelle Rekonstruktion durch eine (seltene) Bifurkationsprothese mit Anschluss von 3 Nierenarterien.
Kontraindikationen für die Implantation von Stentprothesen
Wir akzeptieren prinzipiell keine Kontraindikationen für das endoluminare Verfahren, außer anatomischen Hindernissen. Insbesondere ist jugendliches Alter wegen der noch nicht gesicherten Spätergebnisse in unseren Augen kein Hindernis, da zum einen die Prothese notfalls wieder entfernt und auf ein konventionelles Verfahren umgewechselt werden kann und zum anderen solche zur Konversion führenden Spätkomplikationen bei den neueren Prothesen der 2. und 3. Generation immer seltener werden.
Risikofaktoren, die eine absolute oder relative Kontraindikation gegen das offene konventionelle Verfahren darstellen, fallen bei dem endoluminären Verfahren weniger ins Gewicht! Als Folge davon unterscheiden sich heute die Gruppen der konventionellen und endoluminär operierten Patienten so erheblich, daß sie nicht mehr untereinander vergleichbar sind. Daß Risikofaktoren für das konventionelle Verfahren auch Kontraindikation für das endoluminäre Verfahren darstellten, da man im Falle von Komplikationen notfalls umzusteigen gezwungen sei, akzeptieren wir wegen der geringen Umsteigequoten nicht.
Wir bestehen mit Nachdruck darauf, daß das neue endoluminale Verfahren nur in Kooperation mit erfahrenen Aneurysmachirurgen und unter entsprechenden Bedingungen einer Operationsbereitschaft ausgeführt werden darf. Nur der erfahrene Gefäßchirurg wird eine faire Entscheidung zwischen den Verfahren für seinen Patienten treffen, da er einerseits schnell umsteigen kann und Komplikationen beherrscht, und andererseits einen Hochrisikopatienten nicht leichtfertig von dem endoluminalen Verfahren ausschließt, da er ihn dann der offenen Operation mit allen ihm bekannten Risiken unterwerfen muß.
Chronische Antikoagulantien oder Dialyse wirken sich ungünstig auf das endoluminale Verfahren aus, da es bei vielen eigenen Patienten unter diesen Bedingungen zu einer Reperfusion des Aneurysmasackes über Seitenastarterien (Kollateralen) kam (Endoleak Typ II).
W.S.